|
|
|
|
ROBERT
PALMER
Drive
Gesamtzeit 42:53, 16 Titel, 2003, Universal UK 038098-2; Vertrieb: EDEL
Records
Recht
kurz nach seinem - logischerweise viel zu frühen -Tod erscheint sein
letztes Album.
Und was für ein Vermächtnis das ist! Zu 90% anders angelegt
als alles, was mir von ihm im kommerziell bekannt geworden war –
ich nehme die Fernsehsendung mit dem James-Brown-Tribut mal aus -, zeigt
dieses Album, dass der Spruch, dass sich der wahre Meister erst in der
Selbst (!)-Beschränkung zeigt, wirklich stimmt.
Eingespielt mit bis auf Carl Carlton (Maffay’s Ex-Gitarrero!) hierzulande
weitestgehend unbekannten Musikern, bietet sich hier ein ungewöhnlich
arrangierter und eingespielter Mix aus überwiegend ziemlich bekanntem
(und leider auch manchmal tot-gespieltem!) und ein bisschen unbekannterem
Material.
Wie so oft interpretiert Palmer einen Gutteil fremder Kompositionen auf
seine Weise – hier gibt’s eigentlich sogar nur eine Eigenkomposition.
Ursache: Palmer hatte sich im Zuge der Beschäftigung mit Musik für
Filme von Freunden sehr stark in die Musik der 30er/40er und 50er Jahre
hineingehört und einige Zeit damit verbracht, potentielle Titel nach
der Qualität der Texte auszuwählen. Und das hat sich anscheinend
gelohnt!
Wenn man sich intensiv durch dieses Material hört und Palmers alte
Hits heranzieht, so drängt sich der Gedanke auf, dass es ihm gelungen
ist, seine Stärken zu kultivieren und einen Großteil seiner
Schwächen ins Gegenteil zu wenden. Seine Stärken: eine eindrucks-
und kraftvolle Stimme mit Attacke, die früher schon auch schwächerem
Material eine gewisse Würze verlieh und sein Gefühl für
Rhythmus und Timing - was wohl damit zusammenhängt, dass er „von
Haus aus“ Bassist war. Seine Schwächen: Materialauswahl und
Vereinfachung der Stilmittel bis zur Plattitüde -einmal Erfolg mit
der einen Kerbe gehabt, nun immer wieder „feste druff und `rinn
damit“.
Auch sein Faible für karibische Rhythmen habe ich ihm als Oberflächlichkeit
ausgelegt -aber bitte, ein Bassist sollte auch so etwas haben. Und so
liegt eine CD hier vor mir, die an Sparsamkeit und Spielwitz gleichermaßen
schwer zu überbieten ist. Hey, Kim Wilson! – Palmer kann „Why
Get Up“ sogar noch etwas witziger als Du, und er braucht nur ein
Teil des Tempos, um die Geschichte spannend zu erzählen..
Hey, Keb Mo (Moore), Carlton könnte ein unehelicher Bruder von Dir
sein,- hätte er eine andere Hautfarbe. Usw., usw..
Doch Scherz beiseite, bis auf den bescheidenen Mundharmonikaspieler (So
etwas erklärt, warum Clarence „Gatemouth“ Brown normalerweise
Harper hasst!!) ist das hier alles 1a–Instrumentalarbeit: Zwar sparsamst
instrumentiert - bis auf die vielschichtigen Percussion-Arrangements --,
aber immer gut „getimed“ und im Endeffekt unheimlich effektiv.
Das groovt, das blubbert vor sich hin, lebt, tanzt und DRÜCKT –
auch und gerade bei langsameren Passagen. Viele Musiker versuchen einfach
Dynamik mit Lautstärke- und Temposteigerungen zu erreichen. Dass
das nicht so sein muss zeigen Palmer und seine Jungs. Da „minimalisieren“
die z.B. auch „TV-Dinners“ der 3 Texas-Rauschebärte von
ZZ Top noch weiter und es gelingt ihnen trotzdem, eine große atmosphärische
Dichte zu erzeugen. Das erinnert nicht nur entfernt manchmal auch an Tom
Waits und David Johannsen.
Beim Teenager-Kieks-Song „Stupid Cupid“ - von Connie Francis
1958 zu Chartsehren gebracht -, schafft es Palmer meisterlich, eine Figur
gerade eben zwischen alterndem Lüstling und „Dirty Old Man“
a la Buckowski zu geben. Tempo raus - und die Stimme macht’s schon.
Und so ähnlich funktioniert auch jeder andere Titel hier: Eine gut
erzählte Geschichte nach der anderen.
Die Interpretation von Robert Johnson’s Milk Cow’s Calf Blues
zu guterletzt macht auch klar, warum ich nach dem Hören des Johnson-Tributalbums
„Hellhound On My Trail“ auf diese Platte so gespannt war:
diese Intensität hier muß man erst einmal „können“,
-- und ohne es zu übertreiben! Dass Palmer sich neben Blues auch
gekonnt mit arabischer und karibischer Rhythmik und Melodik auseinandersetzt,
rundet das Bild einer schönen Platte nur noch weiter ab.
Wie sagt man: Schade dass er schon gehen musste.
Zu erhalten ist das Album im gutsortierten Fachhandel.
Hier entlang zur Website von Robert Palmer..
16.11.2003
-sk-
[
NACH OBEN ]
|
|